Umspannwerk: Christine de Pauli, Ulrich Plieschnig, Josefina Pino, Thomas Reinhold

Galerie Gans, Wien

 26.1.2017

Guten Abend, herzlich willkommen in der Galerie Gans. Ich freue mich sehr, ein paar einführende Worte zur Ausstellung sagen zu dürfen. Bevor ich auf die vier ausgestellten Künstlerinnen und Künstler zu sprechen komme, möchte ich noch ein wenig auf den ungewöhnlichen Ausstellungstitel eingehen: „Umspannwerk“ – ein Wort, das in Ausstellungsprogrammen sicherlich hervorsticht. Der Vorschlag zu diesem untypischen Namen kam von einem der präsentierten Künstler, Thomas Reinhold. Sein Gedankengang dazu war, dass in einem Umspannwerk verschiedene Spannungsebenen zusammengeführt und verbunden werden – genau so wie die Galerie Gans hier heute die vier verschiedenen künstlerischen Ausdrucksweisen von Christine de Pauli, Josefina Pino, Ulrich Plieschnig und Thomas Reinhold zusammenführt.

Spinnt man diesen Gedanken weiter, so entdeckt man, dass die bildende Kunst voll von Umspannwerken ist: Jeder einzelne Künstler ist ja ein Umspannwerk, weil er seine eigenen Spannungen, Energien, Ideen und Aussagen aus seinem Inneren in das Äußere, in das künstlerische Medium transformiert. Was dabei entsteht, sind wiederum – im wahrsten Sinne des Wortes – Umspannwerke, die ihre Energie an die sie umgebende Umwelt abgeben und die Kunstbetrachter ihrerseits zu Umspannwerken machen, die das Gesehene für sich interpretieren und transformieren. Und nicht zu vergessen das Umspannwerk Galerie, in dem diese vielen verschiedenen Spannungsebenen zusammengeführt werden und ein gemeinsames Neues ergeben.

In der uns umgebenden Ausstellung umspannt die Galerie Gans die vier durchaus unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksweisen von Thomas Reinhold, Christine de Pauli, Ulrich Plieschnig und Josefina Pino.Ich werde zuerst auf die drei ungegenständlich arbeitenden Künstler eingehen, bevor ich zu Josefina Pino komme, die mit ihren Arbeiten einen spannungsvollen gegenständlichen Kontrapunkt bildet.

 

Den Wiener Thomas Reinhold und den Kärnter Ulrich Plieschnig verbindet eine ähnliche Arbeitsweise, die bei beiden jedoch zu ganz unterschiedlichen, eigenständigen  Ergebnissen führt: Beide arbeiten ohne Pinsel, sondern schütten die verdünnte Ölfarbe auf die flach am Boden liegende Leinwand. Die weitere Verteilung der Farbe erfolgt dann durch das vorsichtige und kontrollierte Kippen des Bildträgers in verschiedene Richtungen. Die flüssige Farbe bahnt sich ihren Weg, jedoch weitgehend gelenkt vom Willen und der Hand des Künstlers. Bildaufbau und Farbverteilung sind bewusst vorab geplant und festgelegt, dem Zufall und den Rinneigenschaften der flüssigen Farbe bleibt jedoch ein gewisses Mitgestaltungsrecht vorbehalten, was von den Künstlern durchaus gewünscht ist. Das Arbeiten an den Bildern fördert und fordert gleichermaßen Ruhe, Konzentration, Planung und eine enge Beziehung zum Material Farbe. Obwohl die Technik der beiden Künstler so ähnlich ist, zeitigt sie ganz unterschiedliche, eigenständige Ergebnisse.

 

Ulrich Plieschnigs ausgestellte Werke sind dominiert von ruhigen, geschlossenen Formen: vertikalen Stelen, die sich monolithisch von einem horizontal verlaufenden Hintergrund abheben. Sowohl die Farbfläche des Hintergrunds als auch die Stelen des Vordergrunds sind durch Aufschütten der Farbe entstanden, jedoch in einer derart geschlossenen, kontrollierten Form, dass keine „verräterischen“ Rinnspuren diesen Vorgang erahnen lassen. Viel mehr wirken die Monolithen, als wären sie einfach immer schon da gewesen, aus sich heraus entstanden, als bedürften sie nicht so etwas „Banalem“ wie der menschlichen Hand oder gar eines Pinsels. Sie sind Ausdruck von Farbe und Form an sich. Ruhig und sicher stehen sie da, als könnte ihnen nichts und niemand etwas anhaben. Auch wenn in Plieschnigs Arbeiten keine Perspektive oder andere illusionistische Techniken auf einen Raum schließen lassen, auch wenn man sie theoretisch als reine Fläche ohne Tiefe interpretieren könnte, strahlen Plieschnigs Werke eine große Weite und Tiefe aus. Vor vielen Jahren fällte Plieschnig nach einem New York-Aufenthalt den Entschluss zur Reduktion. Davon erzählen die Klarheit seiner Formen und Farben sowie die Beschränkung auf orthogonal voreinander gesetzte Farbflächen.

Thomas Reinhold befasst sich in seinen Arbeiten mit der Malerei an sich, mit ihren Bestandteilen Leinwand, Farbe und Künstler. Die drei gehen eine Arbeitsgemeinschaft ein, in der Reinhold das Sagen hat, dem eigenen „Willen“ der Farbe jedoch auch seinen Freiraum lässt. Auf mitunter großformatige Leinwände werden (mit Terpentin stark verdünnte) Ölfarben neben- und teilweise übereinander gesetzt und gezielt zum Verrinnen gebracht. Durch die so entstandenen Schichtungen von durchscheinenden und opaken Farbflächen kommt es zu einer Räumlichkeit im Bild, einem Davor und Dahinter, das zugleich auch eine zeitliche Komponente ins Spiel bringt: Anhand des Darüber und Darunter der verschiedenen Farbflächen wird die Arbeit des Malers, der Entstehungsprozess des Werks und die dabei verstrichene Zeit für den Betrachter nachvollziehbar. Aus der Zeit, die das Schaffen des Bildes für den Künstler in Anspruch nimmt, wird für den Betrachter der Bildraum, anhand dessen die Prozessualität der Malerei sichtbar gemacht wird. Zeit und Raum verschmelzen zu einer Dimension.

Auch Christine de Pauli schafft in ihren Bildern einen Raum, der nichts mit physikalischen oder optischen Gesetzen zu tun hat. Ähnlich wie Thomas Reinhold erzeugt sie Tiefe durch das Übereinanderlegen mehrerer Farbschichten. Schichtung und Prozess werden bei ihr allerdings durch die weitgehende Einfarbigkeit nicht so direkt sichtbar und nachvollziehbar wie bei Reinhold. Trotzdem ist bei der Betrachtung ihrer Bilder eine Tiefe und Weite zu spüren, ein Raum, in den die kontrastierend in Schwarz gesetzten Chiffren und Symbole eingeschrieben sind. Diese schwebenden Zeichen strahlen etwas Leichtes, Luftiges, Bewegliches, ja Ephemeres aus, sind zugleich aber von unterschütterlicher Relevanz. De Pauli lässt sich in ihrem hochkonzentrierten, langwierigen und langsamen Arbeitsprozess von der gegenständlichen Welt und den Vorgängen, die in ihr stattfinden, beeinflussen und destilliert sie auf eine künstlerische Essenz. Es sind abstrahierte und trotzdem klare Gesten, die keine mimetische Verarbeitung der Wirklichkeit darstellen, sondern eine ganz  persönliche, künstlerische Sprache, die trotzdem allgemein gültig ist.

Was an den drei bisher besprochenen Künstlern ganz im Sinne des Titels „Umspannwerk“ auch auffällt ist, dass sie fix etablierte Begriffe wie „Schüttbilder“ (Reinhold und Plieschnig) und „Gestische Malerei“ (Pauli), mit denen eine wilde, expressive und unkontrollierte Arbeitsweise assoziiert wird, zu etwas Überlegtem, mit Bedacht und Ruhe ausgeführtem transformiert haben. Allen Dreien gemeinsam ist auch das Schaffen von einem malerischen Raum, der sich rein aus der Farbe und der Malerei an sich generiert.

 

Auch für Josefina Pinos Arbeiten spielt der Raum eine wichtige Rolle, jedoch auf ganz andere Art und Weise. Ihre Bildobjekte öffnen sich in den tatsächlichen Raum – weder durch Illusion noch durch Farbschichtungen, sondern ganz und gar konkret. So lösen sich vegetabile Formen, Blätter und Blüten aus Papier aus dem Bildgrund und wachsen uns entgegen. Üppig und saftig bekommt man den Eindruck, Versatzstücke aus einem papierenen Dschungel vor sich zu haben. Josefina Pino ermöglicht uns ein stückchenweises Eintauchen in eine wuchernde,strotzende, lebendige Natur-Wunderwelt, die uns asphalt-gewohnten Städtern zur „Sicherheit“ und langsamen Gewöhnung nur in kleinen Häppchen vorgesetzt wird.

 

Viel Freude beim Eintauchen in die unterschiedlichen Bildwelten und beim gemeinsamen umspannen und entspannen!