Begleittext der Ausstellung „photosynthesis“ in der Galerie Frewein-Kazakbaev, Wien
24.1.–28.2.2020
In ihrer Serie Fruchtkörper setzt sich Sigrid Friedmann mit dem (barocken) Stillleben auseinander, transformiert es technisch in unsere Zeit und interpretiert es auf persönliche und sinnliche Weise neu.
Haben die Maler früherer Jahrhunderte Früchte und Gemüse arrangiert, um sie dann mittels Pinsel und Farben auf der Leinwand abzubilden, so werden bei Friedmann Obst und Gemüse selbst zu Pinsel und Farben. In einem ersten Schritt werden die Früchte – stilllebenartig – auf die Scannerplatte arrangiert. Der technisch kühle und scheinbar objektive Scanvorgang wird für die Künstlerin dann zu einem sinnlichen, intuitiven Prozess: in völliger Dunkelheit (um einen schwarzen Bildhintergrund zu erhalten) legt Friedmann ihre Hände auf die Früchte und bewegt sie während des Scannens, „malt“ mit ihnen ein zu diesem Zeitpunkt unsichtbares Bild (das Ergebnis sieht sie jeweils erst im Nachhinein). Durch diesen Vorgang verleiht sie dem dabei entstandenen Abbild der Früchte neue Formen und Strukturen. Das ursprünglich Abzubildende wird zum Abbildenden, zum Ausgangspunkt für etwas Neues (in dieser Hinsicht könnte man sich an Arcimboldo erinnert fühlen).
Der Vanitas-Gedanke, der in barocken Stillleben stets mitschwang, wird hier weiter gesponnen: aus den verrottenden Früchten erwachsen – im Bild – neue (Ausdrucks)Formen, genau so wie auch in der Natur die alte Frucht Humus und Samen für die neue Frucht bereitet – denn jedem Ende wohnt ein Anfang inne. In der wörtlichen „Photo-Synthese“ zwischen dem Gemüse, Friedmanns Bewegungen und dem Scanner werden die – teils schon verfaulenden – Früchte zu einem neuen, anderen Leben erweckt. Ihrer ursprünglichen Bedeutung enthoben, entfalten sie ein dynamisches Eigenleben, werden sie zu neuen, bisher unbekannten, originären (Frucht)körpern.
Und doch erzählen die Fotos vom Vergehen, von zeitlichen Abläufen und ihrer Unwiederholbarkeit: Durch das Scan-Verfahren wird ein ephemerer, bewegter Prozess festgehalten. Gebannt in ein Standbild entsteht der Eindruck, eine eigenständigen Lebensform vor sich zu haben, die jedoch ausschließlich im Moment ihrer Entstehung existierte und weder greif- noch wiederholbar ist. Entstehen und Vergehen im Sekundentakt.