Guido Zehetbauer-Salzer: Hommage an den Wald.

Künstlerportät

Oktober 2020

 

»Für den, der Fantasie hat, ist die Natur die Fantasie selbst.«
William Blake

 

Seit nunmehr bald 20 Jahren setzt sich Guido Zehetbauer-Salzer in seiner künstlerischen Arbeit intensiv und beinahe ausschließlich mit dem Wald auseinander. Die unendliche Vielfalt und Schönheit im Wechsel der Jahreszeiten, die Fülle und Fruchtbarkeit der Natur, das Erleben mit allen Sinnen, die Geborgenheit und Vertrautheit, die Zehetbauer-Salzer ihm Wald empfindet, sind ihm ein unerschöpflicher Quell der Inspiration. Er verliert sich im Wald, und findet dabei zu sich selbst – oder um es mit dem amerikanischen Naturphilosophen John Muir auszudrücken: „Into the forest I go to lose my mind and find my soul“.

Titel: HerbstWaldWeg Maße: 30x30 Jahr: 2017 Technik: Acryl auf Leinwand

 

Für Zehetbauer-Salzer stellt der Wald einen persönlichen wie globalen Heilsraum dar. Ein Heilsraum, der sich akut in Gefahr befindet (wobei es in letzter Konsequenz nicht der Wald, sondern der Mensch ist, dem es an den Kragen geht): Nach wie vor steigen Jahr für Jahr die weltweiten CO2-Emmissionen, Waldbrände werden durch den einsetzenden Klimawandel häufiger und umfassender, und trotz alldem werden Regenwälder in bisher ungekannter Geschwindigkeit sehenden Auges vom Menschen zerstört. Zwar ist Österreich, was seine Wälder betrifft, eine Insel der Seligen: nach Slowenien sind wir das am dichtesten bewaldete Land der EU und unsere Forstflächen wachsen sogar jährlich an. Trotzdem können wir hier in Europa uns nicht abputzen und alle Schuld auf die „bösen außereuropäischen Urwaldzerstörer“ abwälzen, denn unser Konsumverhalten ist ein entscheidender Faktor für ihr Handeln. Abgesehen davon haben wir Europäer, seit wir diesen Kontinent besiedeln, immerhin schon 80%-90% unserer ursprünglichen Wälder abgeholzt.

Am Ende wird zwar der Wald (im wahrsten Sinne des Wortes) den längeren Atem haben, wird die Natur sich ihren Platz wieder erobern, die Frage ist nur, ob mit oder ohne uns Menschen. Denn mit der Zerstörung der Wälder sägt der Mensch ganz sprichwörtlichen an dem Ast, auf dem er sitzt.

 

Wenn man darüber nachdenkt, kann angesichts der drohenden Klimakatastrophe selbst der größte Optimist zum Schwarzmaler werden. Guido Zehetbauer-Salzer bezeichnet sich auch schon ohne akute Krisen als eingefleischten Pessimisten, doch die Begegnung mit dem Wald lässt ihn nicht noch mehr verzagen, sondern verzücken. Der Wald zeigt ihm mit all seiner Kraft, Vielfalt und Pracht eindringlich, dass das Leben ein Fest ist. Sich mit dem Wald auseinanderzusetzen ist für Zehetbauer-Salzer ein Weg, sich die Schönheit und Fülle des Lebens vor Augen zu führen, ein stets wirksames Mittel, positiv in die Gegenwart (und vielleicht auch in die Zukunft) zu blicken. Bilder vom Wald zu malen stellt für ihn eine Möglichkeit dar, sich dieses positive Erleben immer wieder in Erinnerung zu rufen, sozusagen den Wald in sich selbst zu finden. Mit seinen Waldbildern malt sich Guido Zehetbauer-Salzer zum Optimisten.
Er malt aus dem egoistischen Grund, das im Wald empfundene Glück festzuhalten, und aus dem altruistischen Grund, dieses Glück mit anderen zu teilen. Das Thema der Zerstörung dieses unendlich kostbaren Ökosystems schwingt in den Bildern natürlich mit, doch nimmt Zehetbauer-Salzer nicht die Position des mahnenden Moralisten ein, sondern jene des Bewunderers, der durch das Hervorkehren der Schönheit des Waldes für dessen Schutz plädiert.

Es ist nicht Guido Zehetbauer-Salzers Intention, den Wald naturgetreu abzumalen, sondern so, wie er ihn wahrnimmt, wie er ihn fühlt, sieht oder auch wünscht. In seinen Bildern kommen beispielsweise keine Menschen vor: Der Wald ist stets für sich, menschenleer. Lediglich in den Wegen, den forstwirtschaftlichen Eingriffen, sind die Spuren des Menschen erkennbar.

Es sind jedoch nie fiktive, rein erdachte Wälder, sondern ganz konkrete Waldstücke, die Zehetbauer-Salzer richtiggehend porträtiert. Jede Abstraktion – Betonung oder Reduktion – die er in der Malerei vornimmt, geschieht stets zu Gunsten der authentischen Charakterisierung des Waldes: Unwesentliches wird weggelassen, Farbnuancen und Kontraste verstärkt und markante Strukturen hervorgerhoben, bis der Wald seine Poesie auch dem naturfernsten Betrachter eröffnet und sich als realer Märchenwald zu erkennen gibt. Die Bilder verdeutlichen die Brillanz und Genialität, die bei genauer Beobachtung jedem Detail der Natur innewohnt. In Zehetbauer-Salzers Augen verdichtet sich das Zusammenspiel von Nuancen zu intensiven Farbkompositionen, die sich weit von den Grün- und Brauntönen entfernen, die man im Wald als vorherrschend erwarten würde. Für Zehetbauer-Salzer erstrahlt er in allen Farben des Spektrums, er kitzelt sie hervor aus Schattenspielen, Baumrinden und Hohlwegen und überträgt sie dann in intensiver Farbkraft auf die Leinwand. So kann ein Winterwald in kräftiges Blau sich kleiden, ein Herbstwald eine Explosion in Rot, Orange und Rosa sein, ein schattiger Sommerwald in Magenta, Grün, Blau und allen erdenklichen Farben seine Magie entfalten.


Ein entscheidendes Erlebnis auf diesem Weg war das Kennenlernen von Emil Noldes farbintensiven Darstellungen seiner norddeutschen Heimat, der Elbmündung und des Meeres. Die Freiheit, die sich Nolde in den Aquarellen und Ölbildern nahm, der Grad an Abstraktion, insbesondere in der Farbwahl, beeindruckten Zehetbauer-Salzer nachhaltig. Auch Nolde ging es nicht darum, die Landschaft möglichst naturgetreu zu malen, sondern seine Empfindungen bei ihrem Anblick wiederzugeben: „Jedes einzelne Aquarell von Emil Nolde füllt eine ganze Wand und strahlt aus der Ferne. Der Betrachter wird von den leuchtenden Bildern angezogen, noch bevor er das Dargestellte erkennt. (…) „So sind auch seine Landschaftsbilder (…) nicht bloße Stimmungsbilder, auch keine Spiegelungen zufälliger atmosphärischer Erscheinungen im Ablauf des Jahres oder Tages, sondern wahre „Seelenlandschaften“, freier und unmittelbarer Ausdruck des künstlerischen und menschlichen Erlebens.(zitiert nach: https://www.lotsearch.de/lot/tiefblaues-meer-unter-gelb-violettem-himmel-br-tiefblaues-meer-unter-3266113)

 

Über die Jahrzehnte der Auseinandersetzung hat sich Zehetbauer-Salzers Ausdrucksweise verändert: Anfangs malte er mit vielen kleinen Pinselstrichen, in denen jede Farbe, die ihm zur Verfügung stand, pur vorkam. Ein wenig erinnert die Technik an die Malweise der Impressionisten, die ebenfalls reine Farben mit eindeutig erkennbarem Pinselduktus nebeneinander setzten, die sich erst aus einiger Entfernung im Auge des Betrachters vermischen sollten. Die radikale, kleinteilige Farbigkeit jener frühen Waldbilder, die dem Reichtum des Waldes bis ins Detail Rechnung tragen wollte, führt zu einem intensiven, energiegeladen flirrenden Gesamteindruck.

Die wachsende Vertrautheit mit dem Sujet Wald führte Zehetbauer-Salzer zu einer Beruhigung der Oberflächen, einer immer stärkeren Reduktion der Bildmittel, zu einem Herausfiltern des Essenziellen, einem Fokussieren auf charakteristische Strukturen. Der atmosphärische Eindruck wird nun nicht mehr durch Detailreichtum, sondern durch ineinander verschwimmende Farbflächen vermittelt. Der Duktus wurde freier, großzügiger bis hin zur Flächigkeit, in der nur mehr vereinzelt das Astwerk zitiert wird. Die zunehmende Reduktion im Formalen führte zugleich zu einem höheren Grad an Abstraktion in der Farbigkeit, die dabei aber etwas sanfter wurde. Aus lasierenden Schichten aufgebaut, ordnet Zehetbauer-Salzer die Farben, die er anfangs nebeneinander gesetzt hat, nun übereinander an und erzielt dabei eine flächige, dabei tiefe, sanft changierende Farbigkeit. 

 

In Guido Zehetbauer-Salzers graphischem Werk stellt sich der Wald wilder, ungestümer dar. Anders als in den Malereien sind es hier nicht großflächige Farbzonen, die die Atmosphäre transportieren, sondern – dem künstlerischen Medium angepasst – impulsiv gesetzte Striche, die versuchen, den Wald in seinen charakteristischen Zügen zu erfassen. Die Zeichnungen erscheinen formal abstrakter als die Gemälde, fordern die Imaginationsleistung des Betrachters/der Betrachterin, den Wald in ihnen zu erkennen, mehr heraus. Obwohl die Zeichnungen gänzlich anders wirken, bilden sie im Grunde Zehetbauer-Salzers Art zu Malen ab. Auch hier geht es um das Erfassen grundlegender Strukturen, nur eben in linearer Form. Auch hier arbeitet sich Zehetbauer-Salzer von einem Liniengestrüpp zu jenen wenigen Strichen vor, in denen sich konzentriert all das mitteilt, was die vielen sagen wollten. In der Intensität der Farbigkeit und der Impulsivität des Duktus erinnern die Zeichnungen an die frühen Malereien, doch durch wohldosierte Reduktion und Fokussierung auf die Essenz gelingt es Zehetbauer-Salzer, mit Weniger mehr zu sagen. Die Gleichzeitigkeit von Impulsivität und Konzentration führt zu kraftvollen, harmonischen Bildern im Spannungsfeld zwischen horror vacui und tabula rasa.

 

Im Grunde setzt Zehentbauer-Salzer in seinen Bildern das um, was die Natur uns Menschen im besten Fall lehren kann: Sich auf das Wesentliche zu besinnen, das Hier und Jetzt wahrzunehmen und den Reichtum des Augenblicks zu erkennen und auszukosten.